Jeder kennt sie, die Angst. Sie ist ein normales, lebensnotwendiges und manchmal überforderndes Gefühl. Sie warnt vor Gefahren, mobilisiert Energie und schützt uns in kritischen Situationen. Warnen, Mobilisieren und Schützen – das sind alles positive Aspekte.
Doch was so unmittelbar dem Überleben des Organismus dient, hat seine Schattenseiten. Denn, problematisch wird Angst, wenn sie übermäßig wird, den Alltag stark einschränkt oder zu Vermeidungsverhalten führt.
Kurzum, Angst wirft seinen Schatten auf uns, wenn die Überlebensfunktion generalisiert wird. Bis dahin, dass Menschen die Wohnung nicht mehr verlassen, den Fahrstuhl nicht mehr betreten, Panik bekommen oder aufgrund von Prüfungsängsten keinen Berufsabschluss haben.
Dieser kleine Leitfaden führt aus, wie Ängste entstehen, wie sie sich äußern können, welche Sofortstrategien helfen und welche langfristigen Schritte eine nachhaltige Veränderung ermöglichen.

Kurz erklärt, was Angst ist und wann sie problematisch wird
- Wichtige Funktionen der Angst: Alarmreaktion des Körpers – zeigt sich durch erhöhte Aufmerksamkeit, Anpassung der Herzfrequenz, gesteigerte Muskelanspannung, nützlich bei realen Gefahren.
- Problematische Angst: wenn sie unverhältnismäßig, häufig wiederkehrend in bestimmten Situationen oder anhaltend auftritt. Ein sehr maßgebliches Kennzeichen ist die eingeschränkte Lebensführung, welche meist außerordentlich leidvoll erfahren wird.
- Typische Ausprägungen sind: ständige Alltagssorgen; Prüfungs- oder Lampenfieber; soziale Ängste; spezifische Phobien; generalisierte Angst; Panikattacken.
Wie Ängste entstehen können
Allen voran stehen oft Lernprozesse, bei denen Verknüpfung von bestimmten Situationen mit unangenehmen Gefühlen und Erfahrungen (Konditionierung) gebildet werden.
Hinzu kommen kognitive Faktoren, wie übertriebene Katastropheninterpretationen, selektive Wahrnehmung von Gefahren, gesteigerte Verantwortungsgefühle, denen man letztlich nicht gewachsen ist.
Außerdem gibt es biologische Einflüsse, dazu zählt eine angeborene Empfindlichkeit des Angst-Systems, und eine generelle Sensitivität der limbischen Stressachse. Dieser Einfluss wird von einigen Klienten als Makel gesehen, dabei gibt es durchaus Deutungen, die hilfreicher sind (Utilisieren, die Nutzbarmachung als Stärke etc.).
Und es gibt Lebensumstände, die Angststörungen eindeutig fördern können – chronischer Stress (Kriege und Gewalterfahrungen) sowie Schlafmangel, wiederkehrende belastende Lebensereignisse (Verlusterlebnisse) und soziale Isolation. All diese Umstände können zu einer traumatischen Belastungsstörung führen.
Da Angsterleben in Ohnmacht und dem Gefühl des ausgeliefert sein führen kann, fragen Klienten regelmäßig nach akuten Strategien zur Selbstregulation.
Akute Strategien zur Selbstregulation
Die verschiedenen therapeutischen Maßnahmen setzen unterschiedliche Schwerpunkte in der Behandlung von Angsterkrankungen. Es gibt kognitive Ansätze, die über den Verstand und der Integration neuer Verhaltensmuster wirken. Nachfolgende Übungen wirken direkt über den Körper und führen Sie zurück in das Hier und Jetzt.
- Atemübung 3‑3‑6: 3 Sekunden einatmen, 3 Sekunden halten, 6 Sekunden ausatmen; 3–5 Wiederholungen beruhigen das Nervensystem.
- 5‑4‑3‑2‑1 Sinnesübung: Nenne 5 Dinge, die du siehst; 4, die du fühlen kannst; 3, die du hörst; 2, die du riechst; 1, die du schmeckst. Das bringt Präsenz und Orientierung zurück.
- Bodenanker: Spüre bewusst den Kontakt deiner Füße mit dem Boden oder setze die Hände auf einen festen Untergrund. Körperliche Rückverankerung reduziert Fluchtreaktionen.
- Stopp-Gedanke: Kurz gedanklich „Stopp“ sagen, drei tiefe Atemzüge und dann eine konkrete Handlung ausführen, z. B. einen Gegenstand greifen.
Eine wichtige Handlungsanweisung von mir: Üben Sie in Ruhe vor einer Krise und kultivieren Sie diese. Nehmen Sie eine Maßnahme, die Ihnen am ehesten passt. In der Krise können Sie nicht üben, bzw. Sie benötigen jemanden, der mit Ihnen gemeinsam durch die Angst geht und Sie stabilisiert und hält.
Kognitive Arbeit gegen Angstmuster
Beispiele für kurzfristige kognitive Verhaltensmaßnahmen
- Aktivierung statt Vermeidung: Planen Sie kleine, kontrollierte Schritte und gehen Sie in angstauslösende Situationen, die gerade noch zu bewältigen sind, um Vermeidungszyklen zu durchbrechen.
- Machen Sie ein Verhaltens-Experiment: Notieren Sie Ihre schlimmste Erwartung vor einem Versuch und beobachten Sie danach die Realität. Häufig ist die Diskrepanz groß. Ein Beispiel eines Verhaltens-Experiments wäre für jemanden, der öffentliche Verkehrsmittel meidet, eine kurze Fahrt in Begleitung zu machen.
- Sicherheitsverhalten reduzieren: Erkennen Sie Routinen, die kurzfristig beruhigen, aber langfristig Ihre Angst stabilisieren, und reduziere sie schrittweise.
- Üben Sie den Perspektivwechsel: Würde ich so mit einem Freund sprechen? Diese Frage mildert harte Selbstbewertungen.
- Gedanken hinterfragen: Welche Beweise sprechen für und gegen meinen Gedanken? Welche alternative, realistischere Deutung gibt es?
Wie langfristige Veränderung gelingen kann
Zum einen bedarf es je nach Schweregrad der Ängste unterschiedlich viel Übung und eventuell professionelle Unterstützung. Die graduierte Exposition mit einer Liste von Situationen nach Schwierigkeitsgrad ist besonders hilfreich. Beginnen Sie mit kleinen, sicheren Aufgaben und steigern Sie systematisch Intensität und Dauer und integrieren Sie regelmäßig die Übungen zur Selbstregulation.
In unserer Welt scheint vieles widersprüchlich und unsicher. Wir werden ständig durch mediale Präsenz emotional in Erregung gehalten. Dafür brauchen wir ein hohes Toleranzniveau, um mit Unsicherheiten gut umgehen zu können. Planen Sie regelmäßig mediale Auszeiten ein.
Es gibt Lebensumstände, die nicht vollständig kontrollierbar sind, bei denen Ergebnisse länger offen bleiben. Dafür braucht jeder Mensch soziale Unterstützung. Sollten Sie auf soziale Unterstützung in Ihrem persönlichen Umfeld nicht zurückgreifen können, dann lassen Sie sich beraten. Es gibt in jeder Stadt soziale Einrichtungen und Träger, die Ihnen helfen können. Eine gute Anlaufstelle sind auch Selbsthilfegruppen und Vereine.
Arbeiten Sie an den drei großen Säulen der Gesundheit: Schlaf, Bewegung und Ernährung. Die nötige Selbstfürsorge stabilisiert Ihre Stimmung und die regenerativen Prozesse in Ihrem Körper erhöhen Ihr Energieniveau.
Konkrete Übungen zum Einbauen in den Alltag
- Führen Sie ein Angst-Tagebuch: Notieren Sie Trigger je nach Intensität von 0 bis 10; vermerken Sie Ihre Gedanken, Ihr Verhalten und Ergebnisse. So wird Fortschritt sichtbar.
- Die 3‑Minuten-Atemübung: Drei Minuten ganz auf den Atem achten. Spüren Sie das Auf und Ab Ihres Brustkorbes und lassen Sie Ihre Gedanken freundlich vorbeiziehen.
- Implementieren Sie einen Mini-Expositionsplan für eine Woche:
- Tag 1 kleiner Schritt (z. B. 2 Minuten in eine angstauslösende Situation),
- Tag 3 Wiederholung + 1–2 Minuten länger in der Situation verbleiben,
- Tag 5 neuer leichter Schritt.
- Dokumentieren Sie Ihr Erleben und Verhalten.
Wann professionelle Hilfe ratsam ist
Suchen Sie therapeutische Unterstützung, wenn Angst das tägliche Leben stark einschränkt, Panikattacken auftreten, Suizidgedanken vorhanden sind oder die beschriebenen Selbsthilfemaßnahmen keine Besserung bringen.
Evidenzbasierte Ansätze sind kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition, gegebenenfalls ergänzt durch medikamentöse Behandlung oder spezialisierte körperorientierte Verfahren.
Wie Sie Ihre Angst schneller loswerden, erfahren Sie hier. Ich biete ein kostenloses 20‑minütiges Erstgespräch an, persönlich oder online.
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Zusammengefasst
Ängste lassen sich gut verstehen, es gibt einen funktionellen Kern, der dem Überleben dient. Über den Körper und kognitive Arbeit sind Ängste zu regulieren und reduzierbar.
Kleine, wiederholte Schritte, soziale Unterstützung und echte Selbstfürsorge führen zu nachhaltigen Verbesserungen. Wer strukturiert übt und sich genügend Zeit gibt, gewinnt Freiheit zurück.
